Das Gewandhausorchester ist das älteste bürgerliche Sinfonieorchester der Welt. Keimzelle des Orchesters war die 1743 von 16 Adligen und Bürgern gegründete Konzertgesellschaft »Das Große Concert«. Mit dem Umzug in die Gewerbehalle der Tuchmacher im Jahre 1781 erhielt das Ensemble seinen ersten hochwertigen Konzertsaal und den Namen »Gewandhausorchester«.
Berühmt ist das Orchester vor allem für seinen unverwechselbaren warmen und dunklen Klang, der es von vielen anderen großen Orchestern deutlich abhebt. Diese singuläre Klangfarbe und die breite Repertoire-Vielfalt kultiviert das Orchester bei nahezu 300 Auftritten jährlich in seinen drei Leipziger Spielstätten: Es ist das Konzertorchester des Gewandhauses, das Orchester der Oper Leipzig und das Ensemble, das wöchentlich in der Thomaskirche die Bach-Kantaten gemeinsam mit dem Thomanerchor gestaltet.
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Gewandhausorchester
Gewandhaus zu Leipzig Augustusplatz 8 D-04109Leipzig
Gewandhausorchester / Andris Nelsons / Evgeny Kissin
Große Concerte
Gewandhausorchester
Andris Nelsons, Dirigent
Evgeny Kissin, Klavier
Sergej Rachmaninoff: 3. Konzert für Klavier und Orchester d-Moll op. 30
Modest Mussorgski: Bilder einer Ausstellung (Bearbeitung für Orchester von Maurice Ravel)
Konzerteinführung mit Ann-Katrin Zimmermann um 19.15 Uhr - Schumann-Eck
Gewandhausorchester / Andris Nelsons / Sol Gabetta
Große Concerte
Gewandhausorchester
Andris Nelsons, Dirigent
Sol Gabetta, Violoncello
Mieczysław Weinberg: Konzert für Violoncello und Orchester c-Moll op. 43
Peter Tschaikowski: 3. Sinfonie D-Dur op. 29 ("Polnische")
WO GEWALT HERRSCHT
Peter Tschaikowski zollt mit der 3. Sinfonie seinen Vorbildern Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann Tribut, greift die Fünfsätzigkeit der Rheinischen auf, flicht einen altmodischen, beschaulichen Walzer »alla tedesca« an zweiter Stelle ein, lässt den Ruf der Italienischen durch den langsamen Satz hallen und eifert Mendelssohn im elfischen Scherzo nach. Besonders stolz ist er auf die Klangpracht des Finales mit seinen kraftstrotzenden, namengebenden Polonaise-Rhythmen. Es steht dem eröffnenden Trauermarsch diametral entgegen. Was aus den traditionshaltigen Tönen spricht, bekennt Tschaikowski auch in Worten: Wir sind mit den europäischen Formen so verwachsen, dass man sich Gewalt antun muss, um sich loszureißen. Aus solcher Gewalt kann jedoch nichts Künstlerisches entstehen. Sein Fazit gilt nicht nur für musikalische Formkonventionen: Wo Gewalt herrscht, gibt es keine Inspiration, und ohne Inspiration keine Kunst.
ÜBERLEBENSKÜNSTLER
Und doch rangen Künstler ihrem gewaltgeprägten Umfeld bedeutende Werke ab. Bis 1957 musste das Violoncellokonzert des polnischen Juden Mieczysław Weinberg auf seine Uraufführung warten. Das Werk war unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkriegs entstanden – im Schicksalsjahr 1948, als sein Schwiegervater Solomon Michoëls ermordet und Weinberg selbst unter Dauerbeobchtung gestellt wurde. Wehmut, die zur Verzweiflung crescendiert und wieder in stille Melancholie diminuiert, färbt alle Klänge dunkel und geht unmittelbar zu Herzen, weil sie direkt aus dem Herzen strömt. Das Dur-Leuchten des 2. Satzes erlischt leise, in der Stille. Morendo. Musik am Existenzminimum; Töne, die den Tod geschaut haben.
FLUCH, FLUCHT, FLÜCHTIGKEIT
Wohin will das Finale? Eine Entscheidung zwischen Dur und Moll, Lachen und Weinen, Leben und Tod ist nicht zu fällen. Die Virtuosität hat etwas Gehetztes, der Volkstanz etwas ÜberdrehtOrdinäres, und den auftrumpfenden TrompetenFanfaren traut man nicht. Alles ist schnelllebig in diesem 3. Satz. Ist es Flüchtigkeit oder Flucht? Vier Orchester-Celli und gequälte Laute der Hörner geleiten die Solistin zum Schlussstrich, umweht von einem Hauch Paukenwirbel mit übergeworfenem Tuch – wie bei Leichenzügen.
Konzerteinführung mit Ann-Katrin Zimmermann um 19.15 Uhr - Schumann-Eck
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Bewertungen & Berichte Gewandhausorchester / Andris Nelsons / Sol Gabetta
Konzert
Gewandhausorcheste / Manfred Honeck
Große Concerte
Gewandhausorchester
Manfred Honeck, Dirigent
MDR-Rundfunkchor
GewandhausChor
GewandhausKinderchor
Julia Kleiter, Sopran
Catriona Morison, Alt
Maximilian Schmitt, Tenor
Tareq Nazmi, Bass
Ludwig van Beethoven: 9. Sinfonie d-Moll op. 125
LAUT
Das erste, was geschah, war ein Knall. Ist das nicht bemerkenswert? Wir stellen uns den Beginn des Universums, den Anfang von Materie, Raum und Zeit als akustisches Ereignis vor. Kein Urblitz, sondern ein Urknall, kein Licht, sondern ein Laut markiert den Moment, vor den wir nicht zurückdenken können. Beethoven beginnt seine weltumspannende 9. Sinfonie ebenfalls mit elementaren akustischen Urphänomenen. Die Musik kündet vom Werden der Welt aus Harmonie. Kein Knall, sondern ein leises Rauschen, keine Explosion, aber eine Expansion aus einem singulären Ton heraus. Aus dem »a«, jenem Ton, der nach dem ersten Buchstaben des Alphabets benannt ist und der als Stimmton die Harmonie im Orchester verbürgt, entstehen Motiv-Materie, Klangraum und Zeitgefüge aus Takt und Rhythmus. Die Expansion ist gewaltig: bis zum umfassenden Tönen einer ungeheuerlichen Zahl von Mitwirkenden, rezeptionsgeschichtlich bis zu einer weltumspannenden Gemeinschaft von Wahrnehmenden.
LEISE
Vor diesen Beginn der Neunten führte fortan kein Weg zurück. Er markiert den Beginn einer neuen Zeitrechnung, eines neuen Klanguniversums. Viele Komponisten nach Beethoven haben über diese Anfangstakte gestaunt, sie aufgegriffen, weitergedacht und neu interpretiert. Ihre kompositorischen Konsequenzen waren noch weitreichender als die des berühmten Schlusschores, der diese Schöpfung krönt und bejubelt. Es ist eine Schöpfung, in der Harmonie das höchste Gesetz ist und alle Menschen Brüder sind. Wie schön, in einer Welt zu leben, in der es Beethovens Neunte gibt! Noch schöner: in einer Welt zu leben, in der die Vision von Beethovens Neunter Wirklichkeit geworden ist. Bis es soweit ist, sollten wir die Neunte spielen – immer wieder, gerade zum Jahreswechsel, wenn wir über Zeit und Zukunft sinnieren.
Termine
Fr, 29.12.2023, 20:00 | Ticket
Sa, 30.12.2023, 20:00 | Ticket
So, 31.12.2023, 17:00 | Ticket
Ort
Gewandhaus zu Leipzig
Großer Saal Augustusplatz 8
D-04109 Leipzig
IM NACHHALL DES GRAUENS...
Mitten in der dunklen Jahreszeit, im eisigen Januar steht alljährlich ein Tag im Zeichen des HolocaustGedenkens. Der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau erinnert nicht nur an Abgründe unvorstellbarer Verbrechen, sondern auch an die Überwindung des Grauens und an Hoffnungszeichen mutiger Mitmenschlichkeit. Der japanische Konsul Chiune Sugihara rettete in Litauen zur Zeit des 2. Weltkrieges 6.000 Juden das Leben. Er stellte den Fliehenden eigeninitiativ Visa aus, die ihnen nach geltendem Recht nicht zugestanden hätten. Zu den mittlerweile gut 40.000 Nachfahren dieser Holocaust-Überlebenden zählen die Schwiegereltern der Cellistin Kristina Reiko Cooper. Die gebürtige Japanerin initiierte gemeinsam mit der ebenfalls in den USA lebenden russisch-österreichischen Komponistin, Pianistin und Autorin Lera Auerbach ein internationales Kunstprojekt zu Ehren Sugiharas. Mit Unterstützung des Holocaust-Zentrums Yad Vashem in Jerusalem entstand das große chorsinfonische Werk mit solistischem Violoncello, das Sugihara gewidmet ist.
...TÖNE DER HOFFNUNG HÖREN
Kaum war Stalin gestorben, meldete sich Schostakowitsch 1953 mit einer neuen Sinfonie, der Zehnten. Nach acht Jahren brach er sein sinfonisches Schweigen. Die Erwartungen waren hoch – doch damit hatte keiner gerechnet. Schostakowitschs aufgewühlte, erschütternde Musik löste heftigste Reaktionen aus. Drei Tage lang wurde im Komponistenverband über die 10. Sinfonie debattiert. Das Publikum hatte sein Urteil längst gefällt. Es hörte aus der Sinfonie die eigenen Emotionen, die eigene Stimme sprechen und bejubelte das Werk euphorisch. Der Zuspruch, den die Sinfonie im Ausland fand, stärkte die Position des Komponisten. Schostakowitsch gab nur unverbindlich Auskunft: Die Sinfonie sei allen gewidmet, die den Frieden liebten. Die Töne bergen noch mehr Botschaften. Das brutale, jäh abreißende Scherzo identifizierte man als Stalin-Portrait. Auch Künstlerkollegen, die dem Regime zum Opfer gefallen waren, und Personen aus Schostakowitschs Umfeld sind der Partitur eingeschrieben. Vor allem jedoch, immer wieder und mit unerbittlichem Nachdruck: Dmitri Schostakowitschs Initialen D-es-c-h – Klangsignum eines ungeheuer starken »Ich«.
Termine
Do, 11.1.2024, 20:00 | Ticket
So, 14.1.2024, 11:00 | Ticket
Ort
Gewandhaus zu Leipzig
Großer Saal Augustusplatz 8
D-04109 Leipzig
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Bewertungen & Berichte Gewandhausorchester / Alan Gilbert / Kristina Reiko Cooper
Konzert
Gewandhausorchester / Alan Gilbert
Große Concerte
Gewandhausorchester
Alan Gilbert, Dirigent
Ludwig van Beethoven: 8. Sinfonie F-Dur op. 93
Dmitri Schostakowitsch: 10. Sinfonie e-Moll op. 93
KRISENTAGE
Die Weltgeschichte tobte laut im Jahr 1812. Alle – auch der emsige Zeitungleser Ludwig van Beethoven – verfolgten gebannt Napoleons Russlandfeldzug. Musikhistorisch war es ein stilles Jahr ohne epochemachende Ereignisse. Zu schwer lasteten die Folgen der Kriegsjahre auf den Künsten und ihren Förderern. Geistliche und weltliche Würdenträger ächzten unter Wirtschafts- und Finanzkrisen und rangen mit politischen und gesellschaftlichen Neuordnungen. Auch die Tonkünstler hielten den Atem an. Von Beethoven, inmitten seiner produktivsten Jahre, war kaum etwas zu hören. Sein existenzsicherndes Adelsnetzwerk wurde brüchig, hinzu kamen private Sorgen. Nur zwei seiner Werke gelangten zum Druck – bei Breitkopf & Härtel in Leipzig. Es könnte seyn, kündigte Beethoven dem Verleger im September 1812 vorsichtig an, daß ich leipzig besuche, doch bitte ich sie sich darüber ganz tacet zu verhalten. Dann hätte Beethoven gewiss brandneue Sinfonien im Gepäck gehabt und Leipzig wäre womöglich zum Uraufführungsort der im Oktober vollendeten Achten geworden. Doch es blieb – wie so oft bei Beethovens Reiseplänen – bei der Absicht. Kriegswirren und das schwindende Gehör ließen ihn zurückschrecken.
UNSERER TAGE
Schostakowitsch zog radikal Konsequenz aus dem Wandel der Sinfonik, den Beethoven vollzog. Dessen Sinfonien wenden sich an die große Öffentlichkeit, ja die ganze Menschheit – gipfelnd im Seid umschlungen, Millionen! der Neunten. Die Bedeutungsdimensionen weiten sich ins Weltanschauliche und Politische. In der Auslegung von Sinfonik als humanistischer Kunst sei Schostakowitsch der Beethoven unserer Tage und seine 7. Sinfonie die Eroica unserer Tage, sagte man – seiner Tage. Beethovens Humor blitzt in Schostakowitschs Groteske auf, und in Schostakowitschs Ringen mit dem Realismus wirkt Beethovens Idealismus fort. Bei Beethoven haben wir alles, sprach Schostakowitsch 1969, Klassik und Romantik und 20. Jahrhundert. Er komponierte stets unter den Augen einer Beethoven-Büste, die auf dem Regal seines Arbeitszimmers stand: Beethoven ist mein strengster Richter. Von dort droben sandte Beethoven manchen musikalischen Gedanken herab, der in Schostakowitschs Sinfonien, Quartette und Konzerte einfloss.
Bewertungen & Berichte Gewandhausorchester / Alan Gilbert
Konzert
Gewandhausorchester / Alan Gilbert / Michael Wollny
Große Concerte
Gewandhausorchester
Alan Gilbert, Dirigent
Michael Wollny, Klavier
Bernd Franke: Genesis – Concerto for Piano and Orchestra
(Uraufführung, Auftragswerk der Stiftung »Gerda Donges & Friedrich Steffen Pohle für Musik in Leipzig« und des Gewandhausorchesters)
Anton Bruckner: 3. Sinfonie d-Moll WAB 103 (3. Fassung von 1888/89)
GENESE GENIESSEN
Ich komponiere nicht fürs stille Kämmerlein, sagt Bernd Franke, und doch wurde der Konzertsaal zum stillen Kämmerlein, als sein Konzert Anfang Dezember 2021 zur Uraufführung gelangen sollte, auf dass kein Virus auf Schallwellen durch den Saal segelte. Genesis hat viel mit Musik aus anderen Kulturkreisen, insbesondere dem indischen, japanischen und chinesischen, und der Musik vor der Klassik zu tun. Inspirierend sind nicht zuletzt meine Beobachtungen des sozialen Verhaltens beim Musikmachen. Die außergewöhnliche Form des Werkes entstand im Dialog mit dem Solisten der Uraufführung. Michael Wollny wünschte sich musikalische Angebote zum Hören und Reagieren, improvisatorische Freiräume. Auch im Orchestersatz tun sich neben auskomponierten Passagen flexibel gestaltete, aleatorische Situationen mit Möglichkeiten freieren Spiels auf. Franke lässt dichte Klangflächen entstehen, die komplex klingen, aber einfach notiert sind und in denen die Musiker quasi unabhängig voneinander agieren.
IMMER GRÖSSER
»Landschaften« nennt Franke Teile seines Konzerts – und so könnten auch Bruckners CrescendoBerge, Fortissimo-Plateaus, Generalpausen-Schluchten, Pianissimo-Wiesen und Kontrapunkt-Wälder umschrieben werden. Von der sanft bewegten Klangfläche des Anfangs hebt sich noch zurückhaltend das Hauptthema der Trompete ab, andere Bläser folgen nach und lassen ein gewaltiges musikalisches Panorama entstehen. Weite StreicherEbenen tun sich auf, Naturtonfolgen künden von Erhabenem, doch das pathetische Bruckner-Thema – die feierlich zelebrierte Prachtversion des ersten Trompeten-Gedankens – lässt lange auf sich warten. Wenn es nach nahezu einer Viertelstunde im Zentrum des Kopfsatzes machtvoll aus Hörnern, Posaunen und Trompeten tönt, ist die Wirkung schlicht überwältigend. Doch auch das vermeintlich Unüberbietbare gibt nur eine Vorahnung dessen, was sich am Ende des Satzes und schließlich am Ende des Richard Wagner gewidmeten Werkes ebenfalls im Zeichen dieses Themas ereignen wird
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Bewertungen & Berichte Gewandhausorchester / Alan Gilbert / Michael Wollny
Konzert
Gewandhausorchester / Petr Popelka / Andrè Schuen
Große Concerte
Gewandhausorchester
Petr Popelka, Dirigent
Andrè Schuen, Bariton
Antonín Dvořák: Die Waldtaube – Sinfonische Dichtung op. 110
Gustav Mahler: Kindertotenlieder
Johannes Brahms: 1. Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello g-Moll op. 25 (Bearbeitung für Orchester von Arnold Schönberg)
TONTAUBE
Als Johannes Brahms am 3. April 1897 in Wien starb, reihte sich Antonín Dvořák in den endlos langen Trauerzug. Kurz zuvor hatte er seinen Förderer noch einmal besucht und die Waldtaube auf eine Ballade des tschechischen Dichters Karel Jaromír Erben vollendet. Die Tondichtung beginnt ihrerseits mit einem Trauermarsch. Eine junge Witwe folgt dem Sarg ihres Mannes, den sie vergiftet hat. Unter vitalen, böhmisch-volkstümlich inspirierten Klängen heiratet die Mörderin im
Mittelteil einen harfenbetörten Liebhaber. Das Gurren der Waldtaube treibt sie schließlich von Gewissensbissen zernagt in den Freitod. Einsam beklagt die Solovioline das tragische Geschehen.
WANDTEUFEL
Als Johannes Brahms am 3. April 1897 starb, verhandelte Gustav Mahler – noch Generalmusikdirektor in Brahms’ Geburtsstadt Hamburg – gerade in Wien mit der Hofoper. Zum 1. Mai trat er das Kapellmeisteramt an, zwei Jahre danach leitete er die Wiener Erstaufführung von Dvořáks Waldtaube. Weitere zwei Jahre später vertonte der glückliche Vater fünf Kindertotenlieder von Friedrich Rückert. Mahlers Frau Alma war bestürzt: Ich kann es nicht verstehen, dass man den Tod von Kindern besingen kann, wenn man sie eine halbe Stunde vorher, heiter und gesund, geherzt und geküsst hat. Ich habe damals sofort gesagt: »Um Gottes willen, Du malst den Teufel an die Wand!« Im Sommer 1907 wurde der Komponist der Kindertotenlieder von der Realität eingeholt. Mahlers älteste Tochter schied qualvoll aus dem Leben.
BRAHMSPELZ
Als Johannes Brahms am 3. April 1897 in Wien starb, hielt sich sein Bewunderer Schönberg als Leiter von Amateurchören über Wasser. Seine ersten Kompositionsversuche bekennen sich unverhohlen zu Brahms’schen Vorbildern. Die Verbundenheit zu Brahms zieht sich als Konstante durch alle Lehr- und Schaffensphasen Schönbergs. Zur Entstehungszeit der Quartett-Bearbeitung 1937 ärgerte sich der Emigrant in Los Angeles, seine Werke nicht auf den Programmen amerikanischer Orchester zu finden. Das Brahms-Arrangement könnte Teil der Strategie gewesen sein, Konzertbesucher in der Neuen Welt behutsam mit Schönberg vertraut zu machen. Zumindest beim Orchestermanager ging der Plan auf. Er soll – so kolportiert der Uraufführungsdirigent Klemperer – nach der Brahms- Bearbeitung positiv überrascht ausgerufen haben: Ich weiß gar nicht, warum die Leute sagen, Schönberg habe keine Melodien. Das war doch sehr melodisch!
Gewandhausorchester / Petr Popelka / Andrè Schuen bewerten:
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Familienkonzert
Leider nicht von mir!
Musik entdecken, Empfohlen ab 6 Jahren
Gewandhausorchester
Petr Popelka, Dirigent
Malte Arkona, Moderation
Johannes Brahms: 1. Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello g-Moll op. 25 (Bearbeitung für Orchester von Arnold Schönberg)
Der Komponist Arnold Schönberg, einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, liebte die Musik von Johannes Brahms über alles, er war sozusagen ein echter Fan. Als er nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in die USA emigrieren musste, wurde er gebeten, Werke von europäischen Komponisten zu bearbeiten, die sich gut für eine Orchesteraufführung eigneten. Also machte sich Schönberg an die Arbeit und übertrug den Klang der Instrumente des Quartetts (Klavier, Violine, Viola und Violoncello) auf das ganze Orchester. Entstanden ist eine imposante Version der Brahms'schen Originalfassung mit vollem Orchestersound und mitreißender Rhythmik.
Lasst euch von der Musik und unserem Moderator Malte Arkona auf eine Reise voller Emotionen mitnehmen!
Wer besonders neugierig ist, kommt schon eine Stunde vor Konzertbeginn zur Instrumentenstraße. Hier kann man Musikerinnen und Musiker des Gewandhausorchesters persönlich kennenlernen, Instrumente ausprobieren oder selbst auf der Bastelstraße kreativ werden.
Arnold Schönberg: 2. Kammersinfonie es-Moll op. 38
Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie g-Moll KV 550
Arnold Schönberg: 1. Kammersinfonie E-Dur op. 9
Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie C-Dur KV 551 ("Jupiter")
UNBESCHEIDEN
»In 150 Jahren« prognostizierte Arnold Schönberg kühn, »wird meine Musik ebenso verständlich sein wie heute die von Mozart«. Mittlerweile liegt zumindest sein Geburtstag 150 Jahre zurück und Schönbergs 1. Kammersinfonie trennen je 118 Jahre von unserer Gegenwart und von Mozarts Jupitersinfonie. Schönberg bezeichnete sich als Schüler Mozarts und räumte ihm unter seinen Idolen den höchsten Rang neben Johann Sebastian Bach ein. Gleichwohl klingt die 1. Kammersinfonie aus dem Jahr 1906 mehr nach Schönbergs Gegenwart, namentlich Gustav Mahler. Am 8. Februar 1907 konnte Schönberg sie mit dem Rosé-Quartett und Bläsern der Wiener Hofoper zur Uraufführung bringen. Das Werk polarisierte – aber wichtiger noch: Es wurde wahrgenommen. Schönberg zählte schon vor seiner Zwölftonphase und dem legendären Skandalkonzert von 1913, in dem die Kammersinfonie op. 9 erneut zur Aufführung gelangte, zu den meistdiskutierten Künstlern.
UNVERSCHULT
Wenige Wochen nach der Premiere der ersten nahm Schönberg die 2. Kammersinfonie in Angriff. Weit kam er nicht. Nach seiner Emigration in die USA kramte er das unfertige Skript wieder hervor, vollendete zwei Sätze und verwarf einen dritten. Am 15. Dezember 1940 fand in New York die Uraufführung des für fertig erklärten Zweisatz-Torsos statt, eingebettet in Werke von Bach. Fast entschuldigend klingt es, wenn der berüchtigte Neutöner Schönberg in seinen 70ern bekennt: Eine Sehnsucht zu dem älteren Stil zurückzukehren, war immer mächtig in mir; und von Zeit zu Zeit mußte ich diesem Drang nachgeben. Also schreibe ich manchmal tonale Musik.
Konzerteinführung mit Ann-Katrin Zimmermann um 19.15 Uhr - Schumann-Eck
Das Gewandhausorchester ist das älteste bürgerliche Sinfonieorchester der Welt. Keimzelle des Orchesters war die 1743 von 16 Adligen und Bürgern gegründete Konzertgesellschaft »Das Große Concert«. Mit dem Umzug in die Gewerbehalle der Tuchmacher im Jahre 1781 erhielt das Ensemble seinen ersten hochwertigen Konzertsaal und den Namen »Gewandhausorchester«.
Berühmt ist das Orchester vor allem für seinen unverwechselbaren warmen und dunklen Klang, der es von vielen anderen großen Orchestern deutlich abhebt. Diese singuläre Klangfarbe und die breite Repertoire-Vielfalt kultiviert das Orchester bei nahezu 300 Auftritten jährlich in seinen drei Leipziger Spielstätten: Es ist das Konzertorchester des Gewandhauses, das Orchester der Oper Leipzig und das Ensemble, das wöchentlich in der Thomaskirche die Bach-Kantaten gemeinsam mit dem Thomanerchor gestaltet.
Kontakt
Gewandhaus zu Leipzig
Augustusplatz 8
D-04109 Leipzig